Vor meinem Schreibtisch sitzt ein Klient, den ich schon länger kenne, und der immer mal zum „seelischen Durchpusten“ zu mir kommt.
Er zuckt mit den Schultern und seufzt. Seine Augen sind fast blutunterlaufen mit dicken Augenringen und seine Haut wirkt fahl.
Er rutscht auf dem Sessel hin- und her und fühlt sich offensichtlich sehr unwohl. Er hat seit dem letzten Mal auch ordentlich zugenommen.
Coach: Na, wie geht es Ihnen denn so in diesen Zeiten?
Klient: Frau Lönne, ich kann nicht mehr!
Er schüttelt den Kopf und wiederholt: Ich kann einfach nicht mehr!
Coach nimmt ein Headset vom Schreibtisch, verbindet es mit einem Mp3-Player und schiebt dem Klienten die Kopfhörer unter der gläsernen Trennscheibe entgegen.
Der Schreibtisch ist den ist den neuen Arbeitsbedingungen entsprechend coronakonform angepasst worden.
Coach: Wissen Sie was, Herr Meier, wir sorgen jetzt dafür, dass Sie erstmal in Ruhe hier bei mir ankommen können. Setzen Sie bitte die Kopfhörer auf und lauschen Sie der Musik!
Wenn es Ihnen gefällt, hören Sie eine Weile zu, wenn nicht, nehmen Sie bitte die Kopfhörer sofort wieder ab!
Es ist eigentlich keine Musik, sondern es sind die Geräusche von Nordseewellen, die an den Strand plätschern, unterlegt mit zwei Tönen in einem Rhythmus, der unser Gehirn herunterfährt, ausgleicht und ein Gefühl der Gelassenheit auslöst.
Der Klient hat die Augen bei den ersten Tönen geschlossen. Ich bemerke, dass seine Angespanntheit langsam weicht. Ich lasse ihn noch 4–5 Minuten zuhören.
Coach: Herr Meier, Sie können die Augen jetzt wieder öffnen.
Er schaut mich etwas irritiert an und kommt langsam wieder ins Hier und Jetzt.
Er atmet tief ein und aus und schaut erwartungsvoll.
Coach: Na, wie geht es Ihnen jetzt?
Klient: Ach, irgendwie besser, jetzt kann ich Ihnen auch folgen!
Coach: Okay, was möchten Sie heute bearbeiten? Oder, anders gefragt,

„Im Büro geht alles
drunter und drüber.“

in welchem Augenblick hatten Sie die Idee, zu mir zu kommen?
Klient: Im Büro, als wieder alles drunter und drüber ging. Da wollte ich am liebsten flüchten!
Coach: Was ging denn „drunter und drüber“? Wie kann ich mir das vorstellen?
Klient schüttelt den Kopf, fängt fast an zu grinsen: Nein, Frau Lönne, das können Sie sich gar nicht vorstellen!
Ich habe seit Corona fast jeden Tag dramatische Gespräche mit Klienten, meine Angestellten sind überlastet, Fehler häufen sich, unser WLAN setzt immer wieder aus, keiner findet die Ursache und, und, und …
Coach: Wenn Sie das jetzt alles so beschreiben, können Sie das Chaos in ein Bild packen?
Klient entschieden: Nein, auf keinen Fall, da ist viel zu viel Stress und Hektik dabei! Nein, das geht gar nicht!
Er schüttelt den Kopf und schaut mich fast empört an.
Coach: Okay, dann machen Sie einen Film daraus. Das, was Sie im Büro sehen und erleben, ist jetzt auf einem Bildschirm zu sehen, wie im Fernsehen. Wie ist denn die Idee?
Klient grinst: Frau Lönne, das wird ein Actionthriller!
Coach: Klasse, ich liebe Actionthriller! Dann machen Sie mal! Sie sind der Regisseur! Geben Sie jedem seinen Part und lassen Sie das ganze Büro unter „Action“ im Kino auftreten! Sie können ja auch Stellvertreter für die Protagonisten engagieren zum Beispiel Mickey Mouse-Figuren oder so etwas Nettes wie Louis de Funes oder Mr. Bean …
Jetzt lacht der Klient, schüttelt den Kopf, wiederholt: Mr. Bean, oh ja, da wüsste ich einige! Oder Dagobert Duck, oh weia, noch besser: der Pechvogel Donald Duck, da wären auch einige!
Coach: Okay, schließen Sie jetzt die Augen und lassen den Film ablaufen, genau so, wie er für Sie richtig ist, genau in der Geschwindigkeit des Büroalltags! Achtung: Action, Mr. Bean, Donald Duck oder wer auch immer, sie alle sind dabei!
Klient schließt die Augen. Er runzelt die Stirn, dann beginnt er zu schmunzeln.
Coach: Und jetzt schalten Sie auf Zeitlupe. Auf einmal bewegen sich alle irgendwie langsamer, sprechen anders, alles ist viel ruhiger, Slow Motion im Büro!
Man merkt, es arbeitet in dem Klienten, die Mimik wirkt gelassener, er atmet ruhiger, die Schultern wirken gelockert, und er schmunzelt noch immer!
Coach: Sie können die Augen jetzt wieder öffnen!
Coach etwas nachdrücklicher: Herr Meier? Sie können die Augen wieder öffnen!
Klient macht die Augen auf und schaut mich an: Man sollte wirklich mal einen Film darüber drehen!
Coach: Das haben Sie gerade gemacht! Und es ist Ihr Film! Nur Sie können ihn sehen! Und? Ist er Oscarverdächtig?
Klient lächelnd: Auf jeden Fall, Frau Lönne! Mein Gott, wie soll ich jetzt mit den Bildern im Kopf wieder arbeiten?
Coach: Ganz einfach – Sie lassen die Bilder so, wie sie sind! Und wenn dann Donald Duck oder Mr. Bean im Büro vor Ihnen stehen, dann genießen Sie es, für sie arbeiten zu dürfen!
Klient schüttelt sich und lacht: Na, das wird was werden! Die werden sich aber wundern, wie gut gelaunt ich auf einmal bin!
Coach: Ganz im Gegenteil – die sind froh, wenn sie endlich jemanden treffen, der ihnen frohgemut mit viel Optimismus ein bisschen Hoffnung geben kann! Und Sie wissen ja, in guter Stimmung kann man gute Lösungen finden und Entscheidungen treffen!
Klient, aufatmend: Wusste ich doch, dass mir ein Besuch bei Ihnen gut tut! Vielen Dank, Frau Lönne!
Coach: Hallo? Stopp! Wir sind noch nicht fertig, oder?
Klient mit leichter Röte im Gesicht: Ehrlich gesagt, nein. Meine Frau und ich, wir haben ein Problem. Wir verdrücken jeden Abend eine Tüte Chips. Eigentlich wollten wir uns das abgewöhnen, aber irgendwie geht es nicht.
Coach: Was heißt das „eine Tüte“ – zusammen oder jeder eine Tüte?
Klient, zerknirscht: Jeder eine Tüte!
Coach: Wow, ich muss Sie jetzt nicht darüber aufklären, dass Sie Ihrem Körper Unmengen an Mehl, Fett, Salz und Gewürzen zuführen?
Klient schüttelt den Kopf.
Coach: Aber ich habe eine gute Nachricht für Sie! Wir haben eine Chance, die Wurzel des Übels zu finden. Sie kennen ja „wingwave®“. Wir können mit dieser Methode herausfinden, was
Sie an den Chips anmacht und das dann bearbeiten. Okay?
Klient nickt.
Zuerst testen wir mit dem Myostatiktest, was die Chips in ihm auslösen. Mit diesem Test kann man
„Im Büro geht alles drunter und drüber.“

„Wir haben ein Problem:
Wir verdrücken jeden Abend
eine Tüte Chips.“

blitzschnell Emotionen feststellen – sowohl günstige als auch ungünstige. Dabei wird von dem Klienten mit Daumen und Zeigefinger ein O-Ring gebildet, der fest zusammengehalten wird, während ich versuche, ihn zu
öffnen.
Der Ring hält jedoch nur bei Aussagen, die stimmig für den Klienten sind. Aussagen, die Stress verursachen, schwächen den Muskeltonus.
Der O-Ring von Daumen und Zeigefinger geht auf. Ich entdecke mehrere positive Emotionen im Zusammenhang mit den Chips.
Das Rascheln der Tüte bereitet meinem Klienten eine aufregende Vorfreude, das Knacken der Chips verursacht ein Lustgefühl und der Geschmack verschafft ihm tiefe Befriedigung.
Die Gefühle bearbeiten wir mit den typischen Augenbewegungen, die ein „Herunterfahren“ der guten (!) Gefühle verursachen.
Mein Klient schaut jetzt nicht mehr so gutgelaunt, wenn er über Chips spricht! Um es auf die Spitze zu treiben, verstärken wir auch noch die unguten Gefühle über die krankmachenden Chips, indem wir die unangenehmen Gefühle beim Chipsessen „einweben“, das heißt, wir verankern sie über ganz langsame Augenbewegungen in seinem Unterbewusstsein.
Coach testet mit dem Myostatiktest und der Bemerkung: Und jetzt denken Sie bitte noch einmal an die Chips! Chips sind super!
Der Test fällt schwach aus. Chips verursachen offensichtlich kein gutes Gefühl mehr. Ziel erreicht!
Coach: Wenn Sie gleich nach Hause kommen, sprechen Sie am besten sofort mit Ihrer Frau. Es kann sein, dass, wenn Sie mit dem unkontrollierten Chipsessen aufhören, Ihre Frau sich Ihnen anschließt und auch aufhört.
Wenn nicht, können wir das bei ihr genauso bearbeiten wie bei Ihnen!
Klient begeistert: Dann kann ich ja endlich wieder mein Gewicht reduzieren?
Coach schmunzelt: Es kommt darauf an, was Sie sonst noch so anstellen! Mindestens einmal am Tag 30 Minuten schnell laufen oder joggen und eine ausgewogene Ernährung gehören dazu.
Wenn Sie Interesse haben, gebe ich Ihnen gern einen Buchtipp dazu! Denken Sie bei allem, was Sie tun, ob privat oder beruflich, immer daran, das Leben ist keine Generalprobe!
Sie können nicht eine (!) Minute wiederholen.
Also tun Sie am besten gleich das, was Sie wirklich, wirklich, wirklich wollen. Dann bleiben Sie wahrscheinlich lange fit – in jeder Beziehung …
Klient schluckt und nickt mit dem Kopf: Herzlichen Dank, Frau Lönne!
Er steht auf, dehnt den Rücken, reckt sich, drückt zum Schluss die Schultern durch, lächelt mich an und verschwindet.

Anmerkung: Den Begriff „burdenout“ habe ich zuerst von Sebastian Pufpaff, einem Kabarettisten gehört,
erfunden in Anlehnung an burnout oder boreout und, wie ich finde, ganz passend für die allgemein belastende Situation, burden, von heute.