Protokoll eines Business-Coachings

Aus „Der NLP Coach“ Kommunikation & Seminar 1/2013:

 

Soll ich wirklich…?

Protokoll aus der ersten Stunde eines Business-Coachings.

von Gabriele Lönne

 

Bankmanager, „Stress ohne Ende“, obere Führungsebene, 42 Jahre, verheiratet. Bei der Ankunft wirkt er gestresst: flackernde Augen, hektische Stimme, leicht gerötetes Gesicht, unruhig.

Kalibrierung

C: Hallo! Herzlich Willkommen! Haben Sie unser Haus mit den bunten Fenstern, wie ich Ihnen beschrieben hatte, gleich gefunden?

Die Augen des Klienten gehen – zack – nach li oben.

K: Ja, vielen Dank. Kein Problem! Sieht klasse aus!

C: Okay. Wie sähe DAS wohl mit normalen weißen Fenstern aus?

K (Zack – re oben. Lacht kurz): Also, Frau Lönne, okay, architektonisch betrachtet irgendwie wahrscheinlich nicht so gut!

C (beim Betreten des Coachingzimmers): Übrigens, haben Sie schon gehört, dass Ostfriesland Weltnaturerbe ist?

K (Zack – li mitte): Ja, in einem Bericht auf NDR 2.

C: Stellen Sie sich einmal vor, wir hätten jetzt auch noch eine ostfriesische Nationalhymne. Wie die wohl klänge?

K (Zack – re mitte): Na, wahrscheinlich ziemlich seemännisch. (Leichtes Schmunzeln.)

C: Was darf ich Ihnen übrigens anbieten? Mögen Sie temperiertes Wasser?

K (Zack – re unten): Wenn’s geht, lieber kalt! Eiskalt!

C: Gerne. Haben Sie sich nicht auch schon einmal gefragt, ob warmes Wasser, wie die Traditionelle Chinesische Medizin es lehrt, gesünder für den Körper wäre?

K (Zack – li unten): Nein, warmes Wasser ist nur zum Duschen da.

C: Interessant. Wusste ich auch noch nicht. Vielleicht kommen wir gleich noch einmal darauf zurück.

Kalibrierung abgeschlossen.

 

Der Einstieg

C: Wie schön, dass Sie bei mir sind. Sie haben am Telefon etwas von Stress gesagt. Was wünschen Sie sich heute? Was kann ich für Sie tun?

K (sehr unruhig, rutscht auf dem Sessel hin und her, ständige Seitenwechsel): Ja, ich habe irgendwie Stress ohne Ende, überall, Job, Familie, ätzend…

C: Sie sagen, Sie haben Stress ohne Ende, und deswegen sind Sie hier, mit anderen Worten, Sie möchten gerne „Stress mit Ende“ haben?

K (hält inne, verblüfft): Öh, ja. Ja, ja!

C: Das ist doch eine gute Nachricht: „Stress mit Ende“, das ist ja mein Job, mache ich mit größtem Vergnügen.

K (leicht irritiert): Aber, also das geht ja sowieso nicht. Der Stress, den ich habe, den kann mir keiner nehmen. Da ist kein Ende abzusehen! Ich bin total fertig!

C: Womit?

K: Wie?

C: Womit sind Sie fertig?

K (leicht ungehalten): Ach, mit allem!

C: Was ist denn „alles“? Entschuldigen Sie, aber ich möchte gerne die Situation, in der Sie sind, für mich erst einmal aufklären und nachvollziehen können, schließlich bin ich ja Ihr Coach, sozusagen Ihr Reisebegleiter. Tun Sie doch mal so, als wäre ich jemand, den Sie in Ihre Probleme einarbeiten wollten. Was könnte ich tun, um mich so zu fühlen wie Sie?

K (setzt sich auf, interessiert, lacht ein bisschen, entspannt sich etwas, Rapport aber noch nicht komplett gelungen): Ach du lieber Gott, da hätten Sie aber viel zu tun!

C: Was denn? Zum Beispiel?

K: Familie! Kommen Sie bloß nicht zu uns nach Hause! Sieht aus wie ein Schlachtfeld! Das blanke Chaos! Das ist auch immer so ein Stress, nach Hause zu kommen!

C: „Das blanke Chaos.“ Was verstehen Sie unter „Chaos“?

K: Na, alles durcheinander, hektisch… wie das eben mit vier Kindern so ist!

C: Sie haben eine Familie mit vier Kindern?

K (mit einem Hauch von Verzweiflung, Stressphysiologie): Ja, vier!!!

C: Na, da haben Sie ja eine richtige Rasselbande!

K (leichter Stolz, setzt sich auf): Das kann man wohl sagen!

C: Wie alt sind die Kinder denn?

K: 12, 9, 6 und ein Nachkömmling 3 Monate! Verkehrsunfall! (Zuckt mit den Schultern.)

C: Oh, toll! Wie schön, ein richtiges Kind der Liebe!

K (total verblüfft, geweitete Augen, fängt an zu strahlen): Öh, ja. Eigentlich ja. Ja!

Rapport hergestellt.

 

Interventionen

C: Wo wir gerade so schön über Liebe sprechen, könnten wir eventuell ja auch gleich mit dem Thema „Chaos“ in der Familie anfangen. Vorher würde ich noch gerne mit Ihnen etwas wunderbar Entspannendes, Schönes erarbeiten, das uns hier beim Coaching und das Sie in Zukunft überall als „Highlight“ begleiten könnte. Wäre das okay für Sie?

K (neugierig): Da bin ich mal gespannt!

C: Okay. Es gibt ein ganz besonderes „Highlight“ im Coaching, das nennt sich „Moment of Excellence“. Wie ist übrigens Ihre Lieblingsfarbe?

K: Blau. Oder vielleicht auch rot.

C (schreibt „MoE“ auf Flipchart in blauer Farbe, den Namen des Klienten darunter, in einem großzügigen roten Kreis mit roten Strahlen, wie eine Sonne, umrandet): Darf ich Ihnen in dem Zusammenhang etwas zeigen? Wäre da etwas in diesem Korb, das Ihnen als kleines Andenken an unsere Sitzung gefallen könnte?

K: Ja, gerne. (Nimmt sich einen Knopf, der eine Lire-Münze darstellt.) Passt zu mir. Schönes Geldstück!

C: Behalten Sie es ruhig einen Augenblick in der Hand. Wenn Sie so Ihr bisheriges Leben betrachten, dann haben Sie vielleicht irgendwann einmal ein ganz wunderbares, einmaliges Erlebnis gehabt, an das Sie sich noch gut erinnern können? Vielleicht als Kind oder Jugendlicher, zum Beispiel einen schönen Urlaub, bestandene Prüfung, gelungener Wettkampf oder vielleicht als Erwachsener das Lieblingsbuch gefunden, die große Liebe entdeckt, der erste Traumjob …?

K: Nö, so was hab’ ich noch nicht erlebt! (Schüttelt den Kopf, lacht abfällig, schaut triumphierend, Rapport wackelt.)

C (schüttelt den Kopf, lacht abfällig, schaut triumphierend, bricht Rapport): Na also, Herr K! Jetzt habe ich Sie aber beim Flunkern erwischt!

K (Flash, roter Kopf): Was? Wieso?

C (augenzwinkernd): Wir haben eben über Liebe, Kinder, Verkehrsunfälle und so weiter geredet? Da war doch bestimmt irgendwann mal ein schöner Augenblick dabei?

K (entspannt sich, Rapport stellt sich wieder her): Na, Sie sind eine! Okay, ich hab auch mal schöne Augenblicke gehabt!

C: Dann schauen Sie doch einmal zurück. Lassen Sie sich ruhig Zeit und suchen sich den schönsten aus!

K (überlegt): Ja, gefunden. (Kongruenz noch nicht perfekt.)

C: Ich glaube, es gäbe noch etwas Besseres! Ganz bestimmt! Nehmen Sie einen noch Schöneren! So einen richtigen Knaller!

K überlegt, lächelt, runzelt die Stirn.

C: Ich brauche keine Details – das ist IHR geliebter einmaliger Moment. Ich möchte nur, dass Sie ihn erkennen und fühlen können.

K entspannt, lächelt.

C: Vielleicht können Sie ihn noch besser sehen, wenn Sie einmal Ihre Augen schließen. Ja, und vielleicht sehen Sie sogar eine Farbe (Kongruenz entwickelt sich). Oder Sie hören etwas Schönes? Vielleicht haben Sie jetzt sogar einen herrlichen Duft in der Nase oder einen köstlichen Geschmack auf der Zunge? (Kongruenz seitengleich, Schultern fallen, Gesichtszüge „entgleisen“) Und jetzt drücken Sie das Lirestück ganz fest mit der Hand! Fühlen Sie die Lira ganz intensiv! Und genießen Sie einfach dieses Wahnsinnsgefühl!

K schluckt, lächelt, ist komplett kongruent, wie weggetreten.

C (vorsichtig): So, Herr K, jetzt dürfen Sie sich kurz von Ihrem MoE verabschieden und die Augen öffnen.

K öffnet die Augen, immer noch leicht weggetreten.

C: So und jetzt legen Sie bitte die Lira, Ihren Anker, auf den Tisch und sind wieder ganz bei mir.

K legt den Anker sehr zögerlich, nachdenklich, fast widerstrebend auf den Tisch.

C (Rapportbruch zum Weiterarbeiten): … denn wir sind ja schließlich nicht zum Vergnügen hier! Oder?

K weitet die Augen, schüttelt den Kopf und fängt zu lachen.

C (lacht ebenfalls): So und jetzt könnten wir uns doch eigentlich mal um Ihre Rasselbande kümmern?

K: Okay!

C: Stichwort „Chaos“. Was heißt das für Sie?

K: Soll ich wirklich …?

C: Klar, hier hört auch keiner mit!

K: Kindersachen, wo man hinschaut. Spielzeug, Anoraks, Turnschuhe, Bücher, Marsriegel, schon gleich im Hausflur, im ganzen Haus, wirklich überall, Hunde vom Nachbarn dazwischen, Geschrei, Klopperei … Wollen Sie wirklich mehr hören? (Zeigt Stressphysiologie.)

C: Ja, kann ich mir jetzt gut ausmalen. Ich habe auch kleine Kinder gehabt. Was wäre denn das Gegenteil, so im Allgemeinen, von „Chaos“?

K: Ordnung, nichts zu sehen, keine „action“, Ruhe.

C: Dann gehen Sie doch jetzt einmal in Gedanken nach Hause. Sie schließen die Tür auf und Sie sehen nichts, Sie hören nichts, Null „action“ …

K überlegt, kommt auf einmal in Stress.

C: Was ist los?

K: Frau Lönne, das geht nicht, das macht mir Angst!

C: Was macht Ihnen Angst?

K: Ich bin zu Hause und keiner ist da! Das geht nicht. Da muss was passiert sein.

C: Nö, das ist nur „Ordnung“ statt „Chaos“!

K: Frau Lönne, Sie sind eine Hexe!

C: Nö, das sind alles Ihre Gedanken! Sie sind der Hexer!

K lacht, entspannt wieder.

C: Was halten Sie davon, wenn Sie sich das „Chaos“ einfach etwas netter machten, damit es Ihnen ein bisschen besser gefiele?

K: Na, dann machen Sie mal!

C: Okay, Sie haben doch sicher ein Notebook. Klappen Sie es einmal in Gedanken auf und geben Sie Familie K. ein.

K: Okay …

C: Scrollen Sie doch mal bis zum Eintreffen von K. Sie sind jetzt sozusagen der Experte für „Chaos“ und sehen sich aus der Ferne des Internets an, wie Herr K gerade nach Hause kommt.

K: Hm. Ziemlich chaotisch das Ganze, und das nach so einem langen Tag! (Gerunzelte Stirn.)

C: Was meint der Experte? Was könnte man verändern, damit der Film netter wird? Vielleicht Farbe, Konturen, Schnelligkeit…? Was würden Sie Herrn K raten?

K: Ja, ist irgendwie zu bunt! Er müsste es milder sehen.

C: Wie wär’s denn mit einem Farbfilter, mit Weichzeichner? Hatte er nicht irgendwann eine Farbe erwähnt? Wie sähe das für K aus?

K: Blau – ja, schon besser glaube ich, weich, aber irgendwie noch zu viel „action“.

C: Okay. Klappe! Film aus! Nächste Einstellung: Sie als Experte sehen K nach Hause kommen, die Bilder sind blau angehaucht und weich. Stellen Sie sich vor, da wäre ein virtueller Regieknopf installiert, damit K alles langsamer ablaufen lassen könnte. Lassen Sie ihn mal versuchen! Gaaanz langsam runterregeln.

K (konzentriert, Kongruenz entwickelnd): Ja, das funktioniert. Sieht ganz witzig aus. Gefällt mir gut!

C: Gefällt K gut!

K: Ja, ja!

C: Okay. Klappe! Film wieder aus! Notebook zu. Ganz schön spannend, nicht wahr? Fast wie im richtigen Leben!

K und C lachen.

C: So und jetzt geht’s noch einmal los. Nehmen Sie doch mal Ihre Lira in die Hand und drücken sie ganz fest.

K (lächelt): Das wird ja sogar warm in meiner Hand!

C: Toll! Notebook auf. Film ab. SIE kommen jetzt und hier zu Hause an. Was sehen Sie?

K: Chaos – aber irgendwie milder. Und „action“!

C: Sie sind ja schnell! Und jetzt stellen SIE an dem Regler einfach die Geschwindigkeit ein, die Ihnen für die action am besten gefällt! Na, wie ist das jetzt? Wie fühlt sich das an?

K (lächelt): Irgendwie, ja fast schön!

C: Gäbe es eventuell auch einen Namen, den Sie dem Film geben könnten?

K: Eine Familienserie. Ja. Vielleicht „Die 6Ks“? (Lacht.) Die Kinder warten auf mich. Meine Frau auch. (Schaut versonnen, dann auf einmal überrascht.) Wie haben Sie das gemacht?

C: Das habe ich nicht gemacht! Das haben Sie sich selbst gemacht! Ist das nicht toll? Um in der Banksprache zu bleiben: Mit Ihrem Eigenkapital haben Sie gerade wertvolle Investitionen getätigt! Legen Sie die Lira bitte wieder auf den Tisch, sie ist jetzt für Sie sehr wertvoll geworden! Wie wird das Ankommen in der Zukunft sein?

K: Ich freue mich, abends endlich nach Hause zu kommen. Und die Familie freut sich wahrscheinlich auch, weil ich nicht mehr so genervt bin. Und mir ist irgendwie angenehm warm bei dem Gedanken.

C: Okay, wunderbar! Noch ein kleines Experiment: Versuchen Sie, in Gedanken jetzt noch einmal in dieses alte schrille bunte „Chaos“ mit der „hyperaction“ zu gehen.

K (irritiert): Hm, irgendwie – geht nicht!

C: Strengen Sie sich richtig an – Sie öffnen Ihre Haustür und sehen komplettes „Chaos“ und totale „action“.

K (denkt nach, schüttelt den Kopf): Nö, irgendwie ist auf einmal alles anders.

C: Nehmen Sie noch Kindergeschrei mit rein!

K: Aber Frau Lönne, das sind doch meine Kinder. Ich bin doch so froh, dass ich sie habe!

C: Klasse. Wie wär’s mit einer kleinen Pause?